BERNARDO MARIO KUCZER

Visionärer Komponist und Künstler aus Lateinamerika

Bernardo Mario Kuczer (1955–2023) war ein argentinischer Komponist, Künstler und radikaler Visionär der  zeitgenössischen Musik. Geboren in Buenos Aires, begann seine künstlerische Laufbahn zunächst als  Architekt und Rockmusiker, bevor er sich voll und ganz der Musik widmete. Besonders in der elektroakustischen Avantgarde hat Kuczer Maßstäbe gesetzt und gilt als einer der bedeutendsten  lateinamerikanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.

Von Buenos Aires über London nach Deutschland.

Nach seinem Architekturstudium in Argentinien zog Kuczer 1980 nach London, um Viola da Gamba zu studieren. Doch schon bald wandte er sich ausschließlich dem Komponieren zu. Ab 1983 studierte er bei Brian Ferneyhough in Freiburg im Breisgau und entwickelte seinen ganz eigenen, kompromisslosen Stil.


Civilización o Barbarie” – ein elektrischer Donnerschlag in Darmstadt

Internationales Aufsehen erregte Kuczer 1984 bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, als er Werke aus seinem Tonband-Zyklus Civilización o Barbarie präsentierte. Die Reaktionen waren überwältigend: Seine elektroakustischen Kompositionen galten als kompromisslos, eruptiv und radikal neu. Der belgische Musikwissenschaftler Harry Halbreich sprach von einem „verrückten Visionär“ und beschrieb die Werke als „blutige Fleischfetzen von ungeheurer Ausdruckskraft“.



Auszeichnungen, Rückzug und digitale Schaffensphase

Kuczer war der erste lateinamerikanische Komponist, der mit dem Kranichsteiner Musikpreis ausgezeichnet wurde. Seine Werke wurden u. a. bei den Weltmusiktagen 1987 in Köln vorgestellt. 1990 erhielt er ein Stipendium der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks. Ab 1999 zog er sich jedoch vollständig aus dem Musikbetrieb zurück und lebte abgeschieden am Tuniberg bei Freiburg, wo er sich fast ausschließlich digitalen Medien widmete.

Multidisziplinärer Künstler mit einzigartiger Handschrift

Auch außerhalb der Musik war Bernardo M. Kuczer künstlerisch tätig: Er schuf über 1.000 Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen, entwarf eigene Möbel und schrieb über 250 Gedichte sowie zwei Bücher. Seine digitalen Kompositionen entstanden aus selbst programmierten Systemen und theoretischen Modellen, die bis heute unveröffentlicht sind – ein bisher kaum entdecktes Vermächtnis.

Kuczer starb am 22. Juni 2023 in Freiburg und wurde am 3. Juli in Buenos Aires beigesetzt. Sein Werk ist ein stiller, gewaltiger Beitrag zur Neuen Musik, der heute wiederentdeckt werden will. Als radikaler Einzelgänger und Grenzgänger der Klangkunst verdient Kuczer seinen Platz in der Geschichte der  zeitgenössischen elektroakustischen Musik.