Raum. Ordnung. Chaos. Zeit.

Als sich Bernardo Mario Kuczer 1999 nahezu vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzieht, beginnt er ab 2000 nur noch am Computer zu arbeiten. Er entwickelt eigene Programme und schafft – parallel zur elektronischen Musik – digitale Bilder und Kompositionen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit entstehen. Mit der Präsentation seiner digitalen Kunstwerke in großformatigen Leuchtkästen eröffnet sich nun ein Zugang zu einem visuellen und akustischen Gesamtkunstwerk.

Was in dieser Abgeschlossenheit entstanden ist, wird nur in einer kleinen Auswahl gezeigt. Ein visuelles Geflecht aus sich kreuzenden Linien, Kaskaden von Licht- und Farbblitzen, Bildzitate und architektonische Elemente schaffen in diesen Visionen undefinierbare Räume. Neben Kegeln aus Licht- und Farbexplosionen stehen Säulen aus dem Nichts und kubische Zersplitterung. Dichte Überlagerungen und Konstruktionen entfalten sich vor unserem Auge in intensiver Farbigkeit. Gerüstartige Raster in einer Mischung von Braun-, Grau- und Metalltönen werden zu skelettartigen, in die Tiefe sich auflösenden Räumen. Irrationale Formationen bringen dystopische Landschaften hervor, leuchtende Farbinseln tauchen auf und verschwinden wieder.

Diese Werke spielen mit der Wahrnehmung von Raum, Ordnung und Chaos. Alles scheint parallel und doch unabhängig zu entstehen. Ihre Bildsprache oszilliert zwischen digitaler Dekonstruktion und urbanem Gedächtnisraum, zwischen metallischer Kälte und flüchtigem Palimpsest. Hier ereignet sich im dichten Netz aus Fragmenten eine Koinzidenz mit zeitgleich kreierten musikalischen Kompositionen. Mit dieser Installation gelingt es, einen Raum visuell und auditiv körperlich erfahrbar werden zu lassen. Ein Universum technisch generierter Bilder tritt zum ersten Mal in Verbindung mit synthetisch komponierter Musik.

Kuczer wird den Computer als Arbeitsmittel deshalb gewählt haben, da er die freie Improvisation von grafischen Elementen und Farben ermöglicht und diese Technik der Auseinandersetzung mit unbegrenzten Bildern eine neue Dimension öffnet. Der Monitor bildet eine Art Fenster, das den Einblick in einen dynamischen und unbegrenzten Raum erlaubt. Ob hier eine Empfindungswelt des Künstlers durch die Chiffren, die ihm im visuellen und auditiven Bereich zur Verfügung stehen, übertragen wird, wissen wir nicht. Einige Titel geben dafür Anhaltspunkte.

Interessant mag die Frage sein, warum er sich der digitalen Welt zuwandte, während er in der inneren Immigration lebte. Eine Antwort kann das Wissen darüber geben, dass Kunstprozesse keine materiellen, sondern geistige Prozesse sind.

So wie eine Komposition in der Musik nicht an Stoff gebunden ist, sondern in immaterieller Form vorliegt, so führen computergenerierte Bilder zu einer Immaterialisierung, da sie in Form von Programmen oder gespeicherten Daten vorliegen. Und das ist ein Aspekt, der der Musik näherkommt als es die traditionelle Malerei vermag.

Wie Visualisierungen im Raum, ohne auf etwas zu verweisen oder etwas abzubilden als sich selbst, stehen auch die Klänge für sich. Diese Bilder entfalten mit der Dynamisierung des Bildraumes einen ästhetischen Eigenwert. Eine Übertragbarkeit in Musik ist nicht definiert, ohne Darstellungsabsicht gibt ihnen Kuczer assoziative Titel.

Was den Komponisten an der Musik faszinierte, war ihre souveräne Unabhängigkeit von der Welt des Sichtbaren und den reproduktiven Zwängen und dieser Zusammenhang mag Kuczer zu der Beschäftigung mit der Immaterialität der Bildräume in seinen überwältigenden, verstörenden und strahlenden digitalen Bildkompositionen geführt haben.


Margarita Jonietz

DIE EXPONATE

Virtuose Bildwelten, digital erschaffen und leuchtend inszeniert